Parteiausschluss von Höcke: AfD als Wolf im Schafspelz?

Nachrichtenagenturen haben es gemeldet, Parteikreise bestätigt. Der Bundesvorstand der sogenannten Alternative für Deutschland (AfD) möchte ein Parteiausschlussverfahren gegen Björn Höcke einleiten. Was würde dies bedeuten?

In einer Telefonkonferenz des Bundesvorstands der AfD hat es nach Meldungen einiger Agenturen und nach Bestätigung aus Parteikreisen eine Zwei-Drittel Mehrheit für die Eröffnung eines Parteiausschlussverfahrens gegen Björn Höcke gegeben. Der thüringische Landesvorsitzende hatte jüngst mit einer hetzerischen Rede vor Vertretern der jungen Alternative für einen Skandal gesorgt, unter anderem bezeichnete Höcke, der sowohl Duktus als auch Gesten längst vergangener Sportpalastreden aus dem Dritten Reich an den Tag legt, das Holocaustdenkmal in Berlin als „Denkmal der Schande in der Mitte der Hauptstadt“.  In einer ersten Reaktion hatte der Bundesvorstand sich noch für eine öffentliche Rüge gegen den Rechtsaußen der rechten AfD ausgesprochen, nun also ein neues Ergebnis. Das Ausschlussverfahren muss der Landesverband Thüringen in die Wege leiten und auch wenn ich die Satzung der AfD nicht kenne, muss hier einwandfrei nachgewiesen werden, dass Björn Höcke gegen diese verstoßen hat. Der gesunde Menschenverstand würde bei derlei Äußerungen sicherlich keine Sekunde zögern und feststellen, dass hier demokratische Spielregeln noch und nöcher gebrochen wurden, aber so unglaublich das in manchen Ohren klingen mag, Parteischiedsgerichte müssen in einem solchen Verfahren die Satzung der Partei anwenden und dabei auch die Argumente von Björn Höcke gelten lassen. Es ist also nicht gesagt, dass das Verfahren gelingen wird. Aber was wäre, wenn es gelänge? Ich habe hierzu einige Thesen, die ich zunächst ohne größere Wertung in die Diskussion gebe:

  1. Das Ausschlussverfahren hat Erfolg, Björn Höcke wäre nicht mehr Mitglied der AfD. Er selbst würde sich mit großer Wahrscheinlichkeit zu einem Märtyrer stilisieren und gegen die Demokratie hetzen, wo es nur ginge. Sicherlich fielen dabei Worte wie „Altparteien“, „Politeliten“ und „Lügenpresse“ wie der Regen an einem grauen Novembertag. Der rechte Rand der AfD könnte sich hinter ihm versammeln und möglicherweise eine neue Partei oder Wählergruppe bilden, die stramm rechts noch neben der AfD stünde. Die Wähler dieses Randes würden sich von der AfD abwenden und damit der AfD Stimmen kosten. Nicht ganz auszuschließen wäre, dass sich der angeschlagene rechte Rand sogar gänzlich hinter Höcke versammelt, was sicherlich eine große Gefahr für den demokratischen Prozess darstellen würde.
  2. Durch den Ausschluss von Höcke verliert die AfD Wähler am rechten Rand. Aber Wähler aus dem Bereich mitte-rechts, die mit den nationalistischen Tönen der Höcke-Gruppe nichts anfangen können und deshalb stets gegen die AfD waren, könnten dies als Signal werten, dass sich die AfD auf den Weg macht, sich von diesen Menschen zu lösen und tatsächlich eine Alternative darstellen könnte. Die AfD würde also in diesem Bereich der Wählerschaft einen Stimmenzuwachs generieren, was wohl auf Kosten der Union und unter Umständen zu kleinen Teilen der FDP ginge.
  3. Frauke Petry hätte mit einem gelungenen Ausschlussverfahren einer ihrer Hauptwidersacher entledigt und auch den als Höcke-Sympathisanten geltenden Alexander Gauland ein stückweit isoliert. Die „Macht“ innerhalb der Partei würde sich noch stärker auf Petry bündeln und damit den Kurs als tatsächlicher Wolf im Schafspelz fortsetzen. Die Bindung zu anderen Parteien des rechtspopulistischen Spektrums in Europa würde weiter zunehmen. Die AfD bekäme Aufwind bei Wahlerfolgen in den Niederlanden oder Frankreich.

Doch was wäre, wenn das Ausschlussverfahren nicht von Erfolg gekrönt wäre?

Auch hier gäbe es in meinen Augen mehrere Punkte, die zu diskutieren wären. Zum einen glaube ich, dass ein nicht geglücktes Ausschlussverfahren die AfD als tatsächlich rechte Partei entlarven würde, denn wenn solche Aussagen nicht der Satzung widersprechen würden, dann bedeutete dies, dass die AfD solche Personen nicht nur duldet, sondern deren Inhalte zumindest ansatzweise auch teilt. Hier würden sich dann wohl die Wähler aus dem mitte-rechts Spektrum abwenden, was der AfD deutlich Stimmen kosten sollte.
Andererseits würde ein Scheitern des Parteiausschlusses vom Bundesvorstand ganz eindeutig auf den Landesverband in Thüringen geschoben werden können. Zum einen, weil es die Satzung so vorgibt und zum anderen, weil es der Parteiführung in die Karten spielen würde. Man würde sich klar von Höcke distanzieren und dessen Landesverband für das Scheitern verantwortlich machen und so zwar diesen Verband einigermaßen isolieren, sich selbst aber versuchen als gemäßigt zu generieren und das Urteil wo es nur ginge zu diskreditieren. Dann würde man tatsächlich als Wolf im Schafspelz handeln, denn klar wäre mit einem gescheiterten Ausschlussverfahren auch, dass die Wähler des rechten Randes zum Großteil wohl bei der AfD blieben, was der Bundespartei im Grunde recht sein müsste, denn das würde natürlich mehr Stimmen und eine größere Fraktion bei und nach einer Bundestagswahl bedeuten. Im Umkehrschluss hätte es der deutsche Bundestag dann mit Leuten zu tun, unter denen auch einige Personen wären, die die Höcke-Linie befürworten und teilen.

 

Nach diesem Versuch einer einigermaßen nüchternen Analyse, bin ich grundsätzlich gespannt, wie es nun weitergeht. Es steht jedoch nach wie vor fest, dass die AfD mit ihrer grundsätzlichen Ausrichtung, am rechten Rand nicht nur fischt, sondern diesen auch bedienen möchte. Alleine die Tatsache, dass die AfD-Gruppe in der Bundesversammlung beim stehenden Applaus für Norbert Lammert und auch Joachim Gauck nicht aufstand, sondern sitzen blieb, zeigt doch sehr deutlich wes Geistes Kind sie ist. Für alle Personen und Parteien, die es ernst mit unserer Demokratie meinen, sollte deshalb die Rede von Norbert Lammert vor der Bundesversammlung zur Pflichtlektüre werden.